Genießerregion Hohenlohe

Boris Rommel hat sich im Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe seinen ersten Stern erkocht und will noch eine Schippe drauflegen. Schlank, schlaksig, auf dem rechten Arm ein fettes Tatoo, auf dem Kopf eine Schiebermütze, am Kinn ein stylishes Bärtchen – nicht unbedingt stellt man sich so den leitenden Küchenchef des altehrwürdigen Wald & Schlosshotel Friedrichsruhe vor. Herr über vier Küchen, Chef einer 20-köpfigen Brigade. Ist dort etwa nach Jahren gepflegter kulinarischer Langeweile der Rock ‘n‘ Roll eingezogen? Schwingt gar ein junger Wilder den Kochlöffel? Mitnichten. Auch wenn Boris Rommel (33) in seinem ersten Jahr als Küchenchef „einiges umgekrempelt“ und schmeckbar neuen kulinarischen Schwung in die Küche gezaubert hat, als „jungen Wilden“ sieht er sich keineswegs. „Das sieht nur so aus, unsere Küche ist nicht jung, nicht wild und ich bin kein Freund von irgendwelchen Experimenten“, sagt er und schmunzelt. In Wirklichkeit steht er fest auf dem Boden der „französischen Küchenklassik“, die er in renommierten Ster- neküchen gelernt und verfeinert hat. So jung er ist, in Sachen Gourmetküche ist Boris Rommel ein mit allen kulinarischen Wassern gewaschener alter Hase. Ein Küchenfuchs sozusagen, der weiß, was er kann und was er will. Neun Stationen in 17 Jahren, da weiß der Fuchs, wie der Hase läuft: Ausbildung im Erbprinz (Ettlingen), gefolgt von Restaurant Bareiss (Baiers- bronn), Colombi (Freiburg), Bühlerhöhe (Bühl), Bayrischer Hof, Schweigers Showroom 2 (beide München) sowie Villa Hammer- schmiede (Pfinztal). 2011 heuerte er im Wald & Schlosshotel Friedrichsruhe an, wurde Sous-Chef von Boris Benecke und hatte maßgeblichen Anteil an der Aufwertung der Jägerstube von 14 auf 15 Gault-Millau-Punkte. Obwohl Michelin Benecke damals als „Anwärter auf den zweiten Stern“ auszeichnete, blieb es bei der Hoffnung. „Wir waren sehr gut besetzt und hätten einfach mehr rausholen müssen“, sagt Boris Rommel im Nachhinein. Weil er die nötige „Kreativität vermisst“ hat, verließ er Friedrichsruhe wieder und machte sich 2012 in Heidelberg selbständig. Damit war das Thema Friedrichsruhe für ihn erst mal gegessen, eine Rückkehr „ohne Reiz“. Umso „überraschter“ war er, als ihm Hoteldirektor Jürgen Wegmann Ende 2015 die Stelle des leitenden Küchenchefs anbot, weil Benecke sich beruflich umorientieren wollte. Eine „einma- lige Chance“, die Rommel nutzen wollte. Er baute ein neues Küchenteam auf, scharte alte Weggefährten um sich, baute die Karten um und brachte seine kulinarische Handschrift ein: französische Küchenklassik, kreativ inszeniert und mit dem ei- nen oder anderen Überraschungseffekt. „Um den Gästen für ihr gutes Geld auch was zu bieten, haben wir einiges drauf- gesattelt“, sagt Boris Rommel. So wird der Gast noch vor der Bestellung mit feiner Fingerfood erfreut, als Einstieg grüßt die Küche mit je einem warmen und kalten Amuse gueule, das Dessert wird von Pre- und Après-Dessert flankiert, zum Finale werden Petit fours und Pralinen gereicht. „Auch zwischendrin überraschen wir den Gast noch mit der einen oder anderen Nascherei“, so Rommel. A-la-carte plus drei Menüs bietet er im Gourmetrestaurant an: die zwei Fünf-Gänge-Menüs „Gourmand“ und „Saison“ so- wie ein vegetarisches Vier-Gänge-Menü „Legume“. Gerichte wie Kaisergranat, Kohlrabi, grüner Apfel und Mandeln oder Lachsforelle, Kaviar-Beurre-Blanc und Stangenlauch zeigen, dass Rommel auch im Gourmetbereich gerne mit regionalen Produkten arbeitet. So bezieht er etwa Saibling und Lachsfo- relle fangfrisch von der Fischzucht Merz in Öhringen-Eckarts- weiler. Viel Wert legt er auch auf frische Kräuter und essbare Blüten, die im eigenen Kräutergarten kultiviert werden. Damit jeder Teller wirklich „perfekt“ ist, geht nur raus, was er selbst am Pass absegnet. Neben dem Gourmetrestaurant ist Rommel für drei weitere Restaurants zuständig. In der mit 15 Gault- Millau-Punkten dekorierten Jägerstube kommt gehobene regi- onale Küche auf den Teller, von Saiblingstartar bis Landgockel- keule, in der urigen Waldschänke geht’s deutlich rustikaler zu, während im Spa-Bistro leichte Küche dominiert. Dass sich Boris Rommels Einsatz auszahlt, zeigen nicht nur die zufriedenen Gäste. Auch die Profitester bemerken den neuen Schwung. So hat Michelin dem Küchenchef seinen ersten Stern verliehen, Gault-Milau bescheinigt der Küche eine „Zeitenwende“, Gusto sagt dem Wald & Schlosshotel > Geni esserregion Hohenlohe i Sternerestaurants Liebe auf den zweiten Blick 28 |

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